Im Juni 2022 wollte Jasmin ihre 5 Monate alte Tochter in einer der Galerien des Louvre-Museums stillen. Ein Museumsaufseher bat sie, damit aufzuhören, mit der Begründung, dass es einige der Besucher stören könnte. Sie hat sich bereit erklärt, eines der Gesichter unserer Plakatkampagne für die Weltstillwoche zu sein. Sie erzählt uns im Interview ein bisschen mehr über das Ereignis und was es für sie verändert hat. Es ist nicht nur das Posieren für ein Foto, sondern ein Positionieren für ihr Recht, immer und überall stillen zu dürfen.
Kannst du dich kurz vorstellen?
Ich heiße Jasmin und bin 35 Jahre alt. Ich bin US-Französin, aber stamme ursprünglich aus Bangladesch, das übrigens das stillfreundlichste Land der Welt ist.
Ich habe ein Jahr gebraucht, um die Sprache mit YouTube-Videos und der Serie „H“ zu lernen. Noch ein Jahr, um einen Job zu finden und 2014 habe ich mein One-Way-Ticket nach Roissy, Paris gekauft. :)
Heute arbeite ich in der Kommunikationsbranche und lebe mit meinem Mann und unserer kleinen Lana in einem Vorort von Paris.
Kannst du uns erzählen, was am 2. Juni im Louvre-Museum passiert ist?
Eine meiner kleinen Schwestern war zu Besuch und wir machten einen klassischen Touristen-Rundgang (Eiffelturm, das Schloss von Versailles, usw.). Zu dem Zeitpunkt war Lana gerade 5 Monate alt und wollte tagsüber fast stündlich gestillt werden, da sie nachts gut schlief. An diesem Tag habe ich sie 3-Mal im Louvre gestillt. Bei den beiden ersten Malen gab es keine Probleme (ein Museumsaufseher guckte mich nett an, einer Frau war es ein bisschen unangenehm, aber sie sagte nichts).
Dabei hatte ich ein Stilloberteil an und man konnte überhaupt nichts sehen.
Ich antwortete, wenn es die anderen so sehr stören würde, könnte ich ihnen ja notfalls den Kopf mit einem Tuch abdecken…
Wie hast du diesen Moment und
das folgende Echo in den Medien wahrgenommen?
Im ersten Moment war ich schockiert, ich dachte, das ist doch Frankreich! In kultureller Hinsicht war ich verloren, ich verstand diese Reaktion überhaupt nicht (die Amerikaner sehen die Franzosen als ein sehr offenes Volk). Ich habe erst hinterher verstanden, dass das Thema kontrovers ist, als ich das Medienecho und die Kommentare in den sozialen Netzwerken sah. So viele Menschen urteilten über mich. Sie sagten, ich solle abpumpen, kein Baby mit ins Museum nehmen, dafür bezahlen, um in den „sehr sauberen“ Toiletten des Carrousel du Louvre stillen zu können… Der schlimmste Kommentar war: Ich würde unter dem Vorwand mein Baby zu füttern, versuchen, Männer zu verführen. Seitdem höre ich immer eine kleine Stimme im Kopf, wenn ich irgendwo stille, die fragt, ob es auch wirklich gerade niemanden stört.
Du
hast dein Gesicht unserer Kampagne zur Verfügung gestellt: Warum war es für
dich wichtig, daran teilzunehmen?
Nach der Geburt von Lana litt ich unter einer postnatalen Depression, verstärkt durch die Einsamkeit, da meine Familie in den USA lebt. Anfangs ging ich mit Lana nie aus dem Haus, da ich mich nicht traute, vor anderen Leuten zu stillen. Es war ein Teufelskreis. Erst mit Hilfe anderer Mütter, die gestillt haben (Freundinnen, meine ältere Schwester) fühlte ich mich nach und nach wohler dabei. Mir wurde bewusst, wie schade es war, aus Angst vor den Blicken anderer, auf ein normales Leben zu verzichten. Mein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass andere Mütter nicht in dieselbe Situation kommen, als ich dem Journalisten den Vorfall im Juni erzählte. Ich nehme an eurer Kampagne aus demselben Grund teil: Ich möchte anderen Müttern Mut machen. Wäre der Vorfall im Louvre ganz am Anfang meiner Stillzeit passiert, hätte ich sicher nicht so reagiert und hätte nichts gesagt!
Welche Botschaft möchtest du gerne an...
- diejenigen richten, die das Stillen an öffentlichen Orten kritisieren und/oder verhindern?
-die (zukünftigen) Mütter richten, die stillen möchten, aber Angst davor haben, es in der Öffentlichkeit zu tun?
Denkt nicht an andere, sondern nur an euer Wohlbefinden und an das eures Babys. Wenn es euch unangenehm ist, zu viel Haut zu zeigen (das war bei mir der Fall), könnt ihr ein passendes Kleidungsstück tragen. Das hat mir sehr geholfen. (Wir hören hier schon die Misstrauischsten unter euch: Nein, nein, nein, dies ist keine Schleichwerbung! Wir haben ihr nichts zugeflüstert.)
Und vor allem: Stillt euer Baby, solange ihr möchtet. Ich habe festgestellt, dass es in Frankreich viele abwertende Beurteilungen über stillende Mütter gibt, und ich finde das wirklich schade. Man hat mir mehrere Bemerkungen gemacht, sogar ein Arzt, weil ich mein neun Monate altes Baby „immer noch“ stille! Umgibt euch mit Menschen, die euch unterstützen, und achtet nicht auf die anderen.
Und zum Abschluss die letzte Frage: Sollte man immer und überall stillen können?
Ja! Ich habe Lana in Warteschlangen, in der Pariser und New Yorker U-Bahn, im Flugzeug und beim Wandern, usw. gestillt. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich aufgehört habe, über andere nachzudenken, ist mir klar geworden, wie sehr mir das Stillen das Leben erleichtert.